Jan Bejšovec: „Guerra“ (und andere Arbeiten) bei FORMAT€150, Artraum Berlin

Wer kann schon etwas gegen Frieden haben? „Pace“ oder „Peace“ prangt auf vielen kunterbunten Flaggen. Da kann man sich gleich mit einkuscheln, so wohlig ist das Gefühl, etwas zum Weltfrieden beigetragen zu haben. Herrlich! Doch hin und wieder kommt so ein Künstler daher und zerstört die Seligkeit. In diesem Fall ist es der Textilkünstler Jan Bejšovec, der jene Friedensflagge leicht verändert und damit den Betrachter verstört. Sein neues Werk „Guerra“ hängt in der Ausstellung FORMAT€150 (siehe auch diese Ankündigung) und ist dort bis 17. Juni 2012 zu sehen, zusammen mit weiteren neuen Arbeiten von ihm und 22 weiteren Künstlerinnen und Künstlern, alle im Format 18 x 24 cm und für jeweils 150,- €.

Die Arbeit „erheit_ter_mich“ besteht aus miteinander verwobenen Uniform-Stoffstreifen. Zusammengesetzt ergibt sich der Schriftzug „Ministerium für Staatssicherheit“ (MfS; auch dieser natürlich ein textiles Artefakt). Wie in der Arbeit war auch einst das MfS in der Gesellschaft der DDR allgegenwärtig – doch als monolithischer Block oder als amorphe Masse? Hier ist die Schrift zerstückelt, die Bedrohung zahnlos geworden. Klingt „Stasi“ nicht eigentlich eher niedlich?

Im Werk „Kalter Krieg“ stehen sich die Kokarde der Bundeswehr und das Staatswappen der DDR gegenüber, nah und gleichsam voneinander isoliert. Die eingearbeiteten Metallteile blitzen kalt auf der geradezu digital erscheinenden Rasteroberfläche. Im realen Kalten Krieg waren beide Staaten eben auch Figuren auf einem globalen Politikfeld. Die Kraft der Symbolik blieb erhalten.

Die drei anderen Arbeiten wenden sich dem Menschen hinter dieser Symbolik zu: Der „Mann mit weißem Halstuch“ ist auf einen Tarnstoff gestickt, gleichsam verborgen und doch herausgehoben, zugleich Teil der Masse und ein Individuum. Im hintergründigen „Durchbruch“ ist es ein Mensch, der zerschnitten wird, auch wenn er auf dem ersten Blick heil erscheint. Keine Trennung von Brüdern und Schwestern, sondern die Zerrissenheit des Einzelnen im Jetzt.

Zuletzt das „Netz“: es gibt ja noch andere Dinge außer Politik, Krieg und Militär – Fußball zum Beispiel. Hechtet hier nicht ein Torwart einem Ball hinterher? Aber ist nicht Fußball auch oft genug Krieg? Dieser ist im Clausewitz’schen Sinne eine „Duellsituation“ nach einem Regelwerk, mit dem Ziel, „dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen“. Ist der abgebildete Mensch also nicht doch vielmehr gefangen in einem Netz, auch er zerschnitten und doch wieder neu zusammengefügt, im Versuch, in der Welt zu bestehen und allen Anforderungen gerecht zu werden?

FORMAT€150
2.-17. Juni 2012
Fr/Sa/So 1100-1700h und nach Vereinbarung unter Tel. 0177-750 1687
Vernissage: 1. Juni 2012 1830h

ARTraum Berlin
Wisbyer Str. 11
10439 Berlin

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