54. Biennale di Venzia: USA – Gloria (Allora & Calzadilla)

Der Länderpavillon der USA ist – unabhängig von den Wartist-spezifischen Inhalten – sicherlich einer der überzeugendsten auf der 54. Biennale di Venezia. Gestaltet vom Künstlerduo Allora & Calzadilla und kuratiert von Lisa D. Freiman (Indianapolis Museum of Art) besteht der Auftritt „Gloria“ aus sechs skulpturalen Installationen, zumeist mit Performance-Anteilen. In ihnen thematisieren die Künstler gekonnt gesellschaftliche Aspekte, von der Verehrung des Geldes im Kapitalismus über den Umgang mit Krieg und Erinnerung bis zur Freiheit.

Die 1974 in Philadelphia (USA) geborene Jennifer Allora arbeitet seit 1995 mit dem 1971 in Havanna (Kuba) geborenen Guillermo Calzadilla in San Juan (Puerto Rico) zusammen. Ihre Werke beinhalten Skulpturen, Performances, Fotografie und Sound- und Videoinstallationen.

„Gloria“ zieht den Besucher schon auf dem Platz vor dem Pavillon in seinen Bann: Bestandteil der Installation „Track & Field“ (Leichtathletik) ist ein Centurion Kampfpanzer, der wie ein demobilisierter Käfer auf seinem Rücken liegt. Auf einer der Fahrketten ist ein Trainings-Laufband installiert, und immer wieder benutzt ein amerikanischer Leichtathlet dieses Band, während sich die Gleisketten dazu klirrend bewegen. Welch Einstieg mit einer Allegorie auf (Wett)Kampf und den Wunsch zu siegen, die Absurdität des Krieges, die Verherrlichung von Technologie und die Loslösung unserer Wahrnehmung des Krieges vom tatsächlichen Leid!

In „Armed Freedom Lying on a Sunbed“ liegt eine Replik der das US Kapitol krönenden Statue „Freedom Triumphant in War and Peace“ auf einer Sonnenliege. Entspannt sie sich von all den Entscheidungen, die schon unter ihrer Obhut getroffen wurden? Ist es mehr ein Kommentar auf die politische Situation oder den nun selbst jene Statue ergriffenen Schönheitskult?

Die zweiteilige Installation/Performance „Body in Flight (Delta)“ und „Body in Flight (American)“ besteht aus hölzernen Nachbildungen von Business Class Sitzen jener Fluggesellschaften. In ihrer Anmutung geradezu sakral – man denke an den Statuszugewinn durch Vielfliegerprogramme –, werden diese Möbel nun von weiblichen (American) bzw. männlichen (Delta) Turnern in geradezu betörenden Performances benutzt: Für die gelungene Mischung aus Tanz und Sport ist die Zusammenarbeit mit dem US-Olympioniken David Durante und der auch in Konfliktgebieten arbeitenden Tanzchoreographin Rebecca Davis verantwortlich. So besteht der American-Teil aus fließend-anmutigen Bewegungen, während die männliche Delta-Performance eine Kondensation der Stärke und der Macht darstellt. Nebenbei ist diese Arbeit auch eine kleine Erinnerung, dass die Geschlechter unsere Wahrnehmung weiterhin bestimmen werden.

Mit „Algorithm“ hat das Künstlerduo der allgegenwärtigen Verehrung des Geldes einen würdigen Altar erstellt: ein funktionsfähiger Geldautomat ist mit einer hierfür erstellten Orgel zu einer mehr als sechs Meter hohen interaktiven Skulptur verschmolzen. Benutzt man den Geldautomat, wird die Orgel in Gang gesetzt. Der Komponist Jonathan Bailey steuerte die Vertonung bei, die von schaurig bis melodisch reicht.

Mit der Videoinstallation „Half Mast/Full Mast“ thematisieren Allora & Calzadilla erneut den Krieg, seine Wahrnehmung und seine Folgen, aber auch den Umgang der USA mit Puerto Rico, wo die beiden leben und arbeiten. Die übereinander angeordneten Videos zeigen unterschiedliche Landschaften der Insel Vieques, die bis 2003 nahezu ausschließlich von der US Marine genutzt wurde. Bestimmendes Element ist ein – somit durchgehend erscheinender – Flaggenmast: auf dem einen oder anderen bildet ein Turner eine menschliche Flagge – und je nach Video hängt diese somit oben oder auf Halbmast, Zeichen des Triumphs (und der Besetzung) oder der Trauer.

Gloria – das spanische/italienische Wort für Ruhm und gleichsam ein Frauenname – verweist auf Ruhm und Ehre, sei es mit militärischen, wirtschaftlichen, religiös-spirituellen oder kulturellen Bezügen. Ebenso lässt sich der Name auf die bisweilen pompös-selbstzufriedenen Eigendarstellungen der nationalen Pavillons beziehen. Mit Gloria ist jedenfalls Allora & Calzadilla weiterer Ruhm sicher.

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