Chris Dreier & Andreas Seltzer: „Souvenir de Verdun“ (Laura Mars, Berlin)

Vom 27. Februar bis 3. April 2010 zeigen Chris Dreier und Andreas Seltzer in der Berliner Galerie Laura Mars Grp. ihren Zyklus zum Schlachtfeld von Verdun, „Souvenir de Verdun“. Dreier schuf mit ihren Lochkameras berührende Fotos; die Zernarbtheit der Landschaft wird hierbei ebenso eingefangen wie die Rückeroberung durch die Natur. Andreas Seltzer trägt mit akribischen Zeichnungen zum spannenden Gesamtbild bei; diese basieren auf Reiseführern zum früheren Schlachtfeld, ergänzt durch weitere Elemente.

In der Presseerklärung zur Ausstellung heißt es:

Diese Ausstellung ähnelt einem Filmvorspann – den Anfang bilden Originalpanoramafotos aus Luftaufklärungsballons, die die Kampfgebiete der Westfront observieren, dann zeigen die Lochkamerafotos von Chris Dreier die aktuelle Oberfläche der Schlachtfelder und darauf, gewissermaßen als Nahaufnahmen, gehen Andreas Seltzers Zeichnungen in den Untergrund.

Warum Verdun? Warum – vier Jahre vor der hundertjährigen Wiederkehr des ersten Weltkriegbeginns, sich in einer Kunstgalerie mit einem Ort beschäftigen, der zum Synonym für den totalen Krieg geworden ist?

Den Anstoß für dieses Ausstellungsprojekt gab ein Lochkamerafoto, das Chris Dreier 2008 im Oderbruch machte. Es hat den Titel „Schilf“ und zeigt, in verschwommenen Grau, nicht mehr als einige junge Schilftriebe. Sah man dies Motiv im Kontext der Ausstellung „The Grim North“ (2008), wo die Fotografin zumeist Bilder aus den ehemaligen Kampfgebieten des nordirischen Bürgerkriegs präsentierte, dann verlor es seine Harmlosigkeit und konnte als Ansicht eines verlassenen Kriegsschauplatzes gesehen werden. Was es möglicherweise auch war, denn die Russen überquerten 1945 u.a. an dieser Stelle die Oder.

Diese Assoziation brachte einige bildbewusste Betrachter dazu, sich eines formal recht ähnlichen Kriegsfotos zu erinnern, das wegen seiner besonderen Trostlosigkeit immer wieder Eingang in die Literatur zum 1.Weltkrieg findet. Es zeigt eine Gruppe australischer Soldaten, die auf morastigem Grund vor einer Phalanx von nebelverhüllten Baumstümpfen posiert: Eine Erinnerung an den Schlosswald (Chateau Wood) bei Ypern, aufgenommen am 29.Oktober 1917.

Neugierig geworden, begann Chris Dreier sich mit der Geschichte dieses Krieges, der wie kein anderer das 20. Jahrhundert prägte, zu beschäftigen und reiste mit ihren Kameras zu den einstigen Schlachtfeldern von Verdun. Die Aufnahmen, die dabei entstanden, können den Gefahren der Ruinenromantik, dem pittoresken Reiz des verrosteten Kriegsgeräts, widerstehen. Die Natur, die hier die Bunker, die eingesunkenen Schützengräben und Bombentrichter bedeckt, harmonisiert nicht. Sie ist nur vegetatives Beiwerk, das sich gegen die ungeheuere Wucht, mit der diese splitterdurchsiebte Landschaft zerstört wurde, nicht durchsetzen kann.

Aufgrund der Bodennähe der Lochkamerafotos bekommen die Mulden- und Furchenschatten, die sie zeigen, die Schwärzen der Bunker- und Kasematteneingänge eine gefährliche Suggestion – so als sei dort, im Dunkel, die Todesangst komprimiert und könne sich des Besuchers bemächtigen.

In Andreas Seltzers Tinten- und Tuschezeichnungen geht es ebenfalls um Komprimierung. Als Fortsetzung seiner Arbeit über die „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (2003-2009) spielt auch hier das Unterirdische eine zentrale Rolle. Das maulwurfartige Leben in den Unterständen der Soldaten bildet den imaginativen Hintergrund.

So entstanden Bilder, die aus unzähligen Miniaturen zusammengesetzt sind. Es sind Komplexbilder, in deren wechselnden Licht- und Schattenzonen Textfragmente zu Verdun-Reiseführern, realistische und groteske Bildelemente sich zu einem akribisch erfassten Pandämonium verbinden, in dem die Geister des Krieges auch sämtliche Bereiche des Alltags infizieren.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:
Chris Dreier, Andreas Seltzer: „Souvenir de Verdun“
MaasMedia, vol. XXXIII, ISBN 978-3-940999-15-3
56 Seiten, 15×21 cm, 19 Farb- und 15 s/w-Fotografien; 10 €

Chris Dreier und Andreas Seltzer: „Souvenir de Verdun“
Laura Mars Grp.
Sorauer Str. 3
10997 Berlin

27. Februar – 3. März 2010
Di-Fr 1300-1900h, Sa 1200-1600h

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