Shiptare Boys: Kosovo

Vor 10 Jahren, am 24.3.1999, begann die Operation Allied Force, die gemeinhin als Kosovokrieg bekannt ist. Die satirische Neuvertonung eines Beach Boys-Hits aus dem USA wird 2002 von einigen norwegischen Peacekeepern zur Erstellung eines Musikvideos benutzt – und sorgt Jahre später für diplomatischen Aufruhr. Das Ergebnis ist immer noch amüsant – nicht zuletzt durch den zeitlosen und übertragbaren Text.

Vor 10 Jahren, am 24.3.1999, begann die Operation Allied Force, die gemeinhin als Kosovokrieg bekannt ist. Doch offiziell führte die NATO ja keinen Krieg, sondern eine „Luftkampagne“. Ohne UN-Mandat ging die NATO gegen die Menschenrechtsverletzungen und die Nichtunterzeichnung des Vertrags von Rambouillet durch Rest-Jugoslawien vor, wodurch der Krieg damals wie heute völkerrechtlich umstritten ist. Viele machen es sich jedoch zu einfach, der UN die alleinige Gerechtigkeit zuzusprechen, denn oft genug wird sie nicht oder nur mit hehren Worten tätig.

Dieser Eintrag soll jedoch weder jenen Krieg als solchen aufrollen, noch auf seine Folgen eingehen. Als einziger Hinweis sei erlaubt, dass damals die Bundeswehr ihren ersten Kampfeinsatz hatte (vom Gefecht während der Operation Libelle in Albanien 1997 einmal abgesehen): u.a. 14 ECR-Tornados sowie Marineverbände nahmen an Aufklärungs- und SEAD-Missionen teil;1 244 HARM-Flugkörper2 wurden auf Ziele abgefeuert und einige eingesetzte Drohnen gingen verloren. Für Deutschland bedeutete dies einen Umbruch im Einsatz des Militärs, deren Auslandseinsätze bis dahin auf humanitäre Operationen beschränkt war. Fatalerweise argumentierte die damalige Regierung (allen voran Bundeskanzler Schröder, Verteidigungsminister Scharping (später bekannt als „Bin Baden“) und Außenminister Fischer) ausschließlich humanitär und mit einem sich als falsch herausstellenden „Hufeisenplan„, der einen geplanten Völkermord beweisen sollte, anstatt mit klar definierbaren sicherheitspolitischen Interessen.

Aus dem nicht nur informationspolitisch bedingt erfolgreichen Krieg ergaben sich die Resolution 1.244 des UN-Sicherheitsrats und die weiterhin fortbestehende KFOR-Mission der NATO.3

Im Jahr 1999 schrieb Bob Rivers, Radio Talkshow-Host in Seattle (USA), eine satirische Coverversion des harmlosen Liedes „Kokomo“ der  Beach Boys („Bodies in the sand, tropical drink melting in your hand“). Der Text (s.u.) von „Kosovo“ war alles andere als harmlos, sondern recht bissig („We screwed ya Rwanda, wish we coulda helped ya“) und kritisierte vor allem das Selbstverständnis der USA als Weltpolizist:

Ooo so now we’re helping out in Kosovo
We’ll kick some ass
And then we’ll see how it goes
And then we really don’t know

Rivers selbst meinte: „Die Absicht des Liedes war es, mein eigenes Land für sein weltweites herrisches Auftreten zu verspotten. Die Idee war es herauszustellen, wie beiläufig die USA Weltpolizist spielen.“4

Wie viele andere seiner satirischen Lieder auf der Radiostation KZOK geriet es in Vergessenheit – bis sich einige norwegische KFOR-Soldaten während ihres Einsatzes im Kosovo im Jahr 2002 daran machten, zur eigenen Belustigung ein Musikvideo mit dem Lied zu drehen.5 Das kongeniale Ergebnis zeigt die Soldaten als „Shiptare Boys“ unter anderem beim Tanzen, sie bespritzen sich mit Wasser und tun ihr Bestes, das eigene martialische Image zu veralbern. Das (in vielen Online-Versionen geschnittene) Ende ist hingegen ein drastisches.

Noch störte sich niemand daran, bis das Video im Jahr 2005 ins Internet gestellt wurde. Auch der serbische Fernsehsender BK TV berichtete darüber, und man nahm Anstoß, insbesondere an den Zeilen:

Protecting human rights
Air strikes and fire fights
And we’ll be dropping our bombs
Wherever Serbian bad guys hide

Nicht nur kleine Kinder können mit Satire wenig anfangen. Für die entsprechende Empörung war es hilfreich, dass aus dem mit „you sorry son of a bitch“ noch vergleichsweise nett angesprochenen Milosevic in der serbischen Untertitelung Miloš Obilić wurde: ein serbischer Held aus dem Kosovo des 14. Jahrhunderts, genauer gesagt der Held jener diesbezüglich oft ins Feld geführten Schlacht auf dem Amselfeld, wo er am 28.6.1389 starb.

Slobodan Samardžić,6 seit 2001 Professor für Europawissenschaften und seinerzeit Berater des serbischen Premierministers Koštunica, sagte daraufhin laut AFP, das Video suggeriere, die vorgeblich unparteiische NATO-Mission sei voreingenommen: „Solche Dinge unterstützen nur die serbische Seite in ihrem Beweis, dass es im Kosovo keine Sicherheit gibt, keinen Respekt für Menschenrechte und Multiethnizität.“7 Seinen Aussagen zum Kosovo lässt sich trefflich zustimmen, wenn auch aus ganz anderen Gründen.

Nichtsdestoweniger entschuldigte sich der norwegische Botschafter Hans Ola Urstad sofort: das Video sei „sehr bedauerlich“ und man werde eine Untersuchung einberufen; diese kam nicht zustande, da die „Täter“ bereits die Streitkräfte verlassen hatten.8 Die New York Times brachte einen Artikel über den Fall mit dem Statement, dies sei nicht das einzige Mal, dass NATO-Truppen im Kosovo einen „Mangel an kultureller Sensibilität“ zeigen würden. So kann man das natürlich auch sehen, zumal, wenn man einen Schuldigen ausfindig machen möchte.

Bob Rivers selbst reagierte wenig erfreut: „Das Lied wurde gestohlen, ein Video wurde hinzugefügt, und ich wünschte, es gäbe einen Weg, dies zu stoppen.“9

Sein Lied ist in der Tat wunderbar – und durch das Video der Soldaten bekam es die weltweite Öffentlichkeit, die es verdient. Denn am Gehalt des Textes hat sich wenig geändert, auch wenn man ihn gewiss nicht nur auf die USA beziehen darf. Good look to Kosovo!

 

Kosovo
(© 1999 Bob Rivers)

Croatia, Albania,
Somewhere near Romania
It’s Euro and NATO
Why the hell do we go
Priština blew up, huh?
Head for Macedonia
I’ll race ya

Somewhere far overseas
There’s a place called Kosovo
That’s where you don’t wanna go
if you’re Albanian at all

Protecting Human Rights
Air strikes and fire fights
And we’ll be dropping our bombs
Wherever Serbian bad guys hide
Just up from Kosovo

Somalia, Grenada,
Or rescuing Kuwait yeah
We screwed ya Rwanda,
Wish we coulda helped ya
Iraqi embargo,
That’s where got hustled

Ooo so now we’re helping out in Kosovo
We’ll kick some ass
And then we’ll see how it goes
And then we really don’t know
Good luck to Kosovo

Milosevic, you sorry son of a bitch

Every time we go
To little places like Kosovo
We never really know
what happens after we go
Tough luck for Kosovo

Croatia, Albania,
Somewhere near Romania
It’s Euro and NATO,
Why the hell do we go
Priština blew up, huh?
Head for Macedonia

Well we’re heading down to Kosovo
We’ll kick some ass
And then we’ll see how it goes
And then we really don’t know
That sucks for Kosovo

Somalia, Grenada,
Or rescuing Kuwait yeah
We screwed ya Rwanda,
Wish we coulda helped ya
Iraqi embargo,
How it ends we don’t know

  1. ECR = Electronic Combat Reconnaissance (Elektronische Kampfaufklärung); SEAD = Suppression of Enemy Air Defence, also Aktionen gegen die feindliche Luftabwehr
  2. AGM-88B HARM (High-Speed Anti-Radiation Missile), ein gegen bodengestützte Radaranlagen eingesetzter Flugkörper
  3. KFOR: Kosovo Force der NATO unter Beteiligung weiterer mehr oder minder befreundeter Nationen
  4. Bob Rivers in einer Antwort auf den serbischen Journalisten Zoran Stanojevic, http://www.bobrivers.com/c6i3395, Übersetzung: Bayer
  5. In eigener Sache: Eine Version in höherer Qualität liegt mir leider nicht vor, doch als alter Jäger und Sammler habe ich daran natürlich Interesse.
  6. Samardžić war 2007-2008 auch serbischer Minister für Kosovo und Metochien
  7. NY Times: „Video of D.J.’s Satirical Song Provokes Offense in Kosovo“, 21.08.2005
  8. Ibid.
  9. http://www.bobrivers.com/c6i3395, Übersetzung: Bayer

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