Tokios Yasukuni Schrein ohne Regierungsbesuch

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs finden sich jedes Jahr am 15. August, dem Tag der japanischen Kapitulationjapanische Regierungsmitglieder am Yasukuni-Schrein in Tokio ein. Doch der am 4. Juni 2010 gewählte Premierminister Naoto Kan, der sich bereits vor einigen Tagen bei Südkorea für die Kolonialherrschaft 1910-1945 entschuldigte, setzt seinen Versöhnungsweg fort: Zum ersten Mal seit 25 Jahren nahmen keine Regierungsmitglieder an den Zeremonien des Jahrestages teil.

Im Yasukuni-Schrein („Schrein des friedlichen Landes“) werden diejenigen Angehörigen des japanischen Militärs als „Heldenseelen“ verehrt, die von den Bürgerkriegen von 1855 bis zum Zweiten Weltkrieg bzw. dem Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg gefallen waren. Gefallene sind hier jedoch keine beerdigt; es finden sich vielmehr „Seelenregister“, also Namenslisten. Von den fast 2,5 Millionen Namen im Yasukuni-Schrein beziehen sich mehr als 2,3 Millionen auf die Zeit 1937-1945. Die quasi bedingungslose Verehrung der Toten im Shintoismus beinhaltet somit auch verurteilte Kriegsverbrecher; somit sorgten die Besuche des Yasukuni-Schreins durch Regierungsmitglieder regelmäßig für Verstimmung bei den zahlreichen Nachbarstaaten, die unter der japanischen Besetzung zu leiden hatten. Zudem wird im zum Schrein gehörigen Museum auch Geschichtsklitterung betrieben, wenn z.B. das Massaker von Nanking im Jahr 1937 verharmlost wird indem „durch die Einnahme der Stadt der Frieden nach Nanking zurückkam“.

Interessant ist auch, dass hier neben Skulpturen für Kriegswitwen und 5.842 im Einsatz gestorbenen Kamikaze-Piloten auch den im Krieg gefallenen Tieren gedacht wird, von denen einige eigene Denkmäler erhalten haben, so z.B. Hunde und Brieftauben. Neben den in den Skulpturen zumeist realistisch abgebildeten Menschen und Tieren findet sich auch eine weitere Besonderheit, das Denkmal Irei no Izumi (der „Brunnen zur Beruhigung der Seelen“): es erinnert an all jene, die im Krieg Durst litten oder verdursteten, was weltweit einzigartig sein dürfte.

Der Premierminister besuchte hingegen einen Friedhof in Tokio; Friedhöfe sind im Shintoismus unreine Orte. Danach nahm er mit Kaiser Akihito an einer Erinnerungszeremonie teil. Kan sagte: „Wir empfinden tiefes Bedauern und wir drücken gegenüber denjenigen, die litten und ihren Familien unser tiefes Mitgefühl aus.“ Das sind klare Worte, die hoffentlich auf Widerhall stoßen werden.

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