Die Berlinale beginnt: Filme zu Krieg, Terror und Sicherheit

 

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Die heute beginnende Berlinale versteht sich als politisches Filmfestival. Insofern überrascht es wenig, wie viele Filme im diesjährigen Programm Bezug zu Krieg, Terrorismus, Vernichtung und Vertreibung haben, wie bereits auf Wartist erwähnt wurde. Nachfolgend einige Worte zu den diesbezüglich relevanten Filmen, einschließlich natürlich der Links zu weiteren Informationen, sortiert nach ihrer Sektion im Programm.

Wettbewerb

Deutschland 09, 13 kurze Filme zur Lage der Nation

Die 13 Kurzfilme greifen u.a. auch Themen wie die Innere Sicherheit auf und verstehen sich an den Kompilationsfilm „Deutschland im Herbst“ aus dem Jahr 1978 anknüpfend, um ein aktuelles Bild des Landes zu zeichnen.

In the Electric Mist

Dieser Thriller um Morde in der Provinz Louisianas hat zwar keinen direkten Bezug zum Krieg, doch als Element des „magischen Realismus“ kommt es immer wieder zu Begegnungen mit einem Bürgerkriegsgeneral.

Lille Soldat (Kleiner Soldat)

In dem dänischen Film kehrt eine Soldatin nach ihrem Kriegseinsatz in die Heimat zurück. Sie versucht, zu vergessen und arbeitet schließlich als Chauffeurin für ihren Vater, einen Zuhälter. Sie beschließt, einer nigerianischen Prostituierten zu helfen, was entsprechende Konsequenzen hat.

London River

Eine Britin und ein in Frankreich lebender Nordafrikaner eilen nach den Bombenanschlägen vom 7.7.2005 nach London, da sie befürchten, Ihre jeweiligen Kinder könnten darin verwickelt sein. Sie begegnen einander, zuerst mit großen Vorbehalten und Zurückhaltung.

I skoni tou chronou (The Dust of Time)

Ein Filmemacher dreht über das Leben seiner Eltern; seine Mutter wird auch von einem weiteren Mann geliebt. Die Geschichte wird auch anhand diverser maßgeblicher historischer Ereignisse erzählt, die vom Stalinismus bis zum Fall der Mauer und der Jahrtausendwende reichen.

The Messenger

Ein US-Soldat bekommt nach seiner verwundungsbedingten Rückkehr den Befehl, in den letzten Monaten seiner Dienstzeit den Hinterbliebenen von Gefallenen die Todesnachricht zu überbringen. Dieser Film hört sich nicht zuletzt aufgrund der Geschichte und der Besetzung sehr spannend an und könnte ein Bärengewinner werden.

La Teta Asustada (The Milk of Sorrow)

Eine peruanische Frau, deren Mutter im Bürgerkrieg vergewaltigt wurde, während sie mit ihrer Tochter schwanger war, lebt zurückgenommen und voller Ängste, die sie durch die „Milch des Leids“ von ihrer Mutter übernommen hat. Als die Mutter stirbt, kann sich die Frau langsam von ihren Ängsten lösen und ein selbstbestimmtes Leben finden.

The Reader (Der Vorleser)

Ein junger Mann ist in eine Frau verliebt, der er als Vorleser dient. Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass die Frau als KZ-Aufseherin tätig war. Schuld, Sühne und Vergebung sind die zentralen Themen dieser Literaturverfilmung.

Storm (Sturm)

Der Film behandelt den schwierigen Kampf einer Staatsanwältin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), einem Kriegsverbrecher die begangenen Taten nachzuweisen; mehr noch, aufgrund politischer „Gegebenheiten“ wird der Prozess zunehmend zur Farce, mit weiteren Folgen für das traumatisierte Leben der Zeugen.

Berlinale Special

Adam Resurrected (Ein Leben für ein Leben)

Diese Literaturverfilmung (Yoram Kaniuks „Adam Hundesohn“) behandelt das Leben eines Zirkusartisten, der im KZ gezwungen wird, als Hund zu leben, um zu überleben. In einer psychiatrischen Klinik für Holocaust-Überlebende lernt er einen Patienten kennen, der sich für einen Hund hält.

John Rabe

John Rabe war 1937 Leiter der Siemens-Werke in Nanjing, als die Stadt von den Japanern angegriffen und besetzt wird. Zusammen mit weiteren Expats versucht er, Leben zu retten. Das als „Vergewaltigung Nanjings“ in die Bücher eingegangene Kriegsverbrechen mit hunderttausenden Opfern ist hierzulande eher unbekannt.

Panorama

City of Borders

Ein Dokumentarfilm über israelisch-palästinensische homosexuelle Beziehungen in Jerusalem.

Human Zoo

Der Film von und mit Rie Rasmussen behandelt das Leben einer Frau zur Zeit des Kosovokriegs und als Immigrantin im heutigen Marseille, wobei die Geschichte die Zeitebenen miteinander verwebt.

Kashmir – Journey to Freedom

Ein Dokumentarfilm über den Friedenswunsch der Bevölkerung des (primär) zwischen Pakistan und Indien strittigen Gebiets Kaschmir.

Mein Herz sieht die Welt Schwarz – eine Liebe in Kabul

Ein Dokumentarfilm über die lange, aber nichtsdestotrotz verbotene Liebe von Hossein und Shaima im heutigen Afghanistan.

Rossiya 88 (Russland 88)

Ein Dokudrama über die aktuelle russische Neonazi-Szene, basierend auf wahren Begebenheiten.

The Shock Doctrine (Die Schock-Strategie)

Michael Winterbottom verfilmte Naomi Kleins gleichnamige Kapitalismus-Kritik und versucht somit, u.a. Wirtschaftsliberalismus und Irakkrieg miteinander zu verknüpfen.

Das Vaterspiel

Ein Mann programmiert seit Jahren an einem Computerspiel, um dem Hass auf seinen Vater Ausdruck zu verleihen. Sein Leben kreuzt sich mit denjenigen eines jüdischen Überlebenden und eines versteckt gehaltenen Nazi-Kriegsverbrechers.

Forum

D’Arusha à Arusha (From Arusha to Arusha)

Ein Dokumentarfilm über die Verhandlungen am Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) und die Schwierigkeiten internationaler Gerichtsbarkeit.

Hashmatsa (Defamation)

Ein Dokumentarfilm über Antisemitismus und seine identitätsstiftende Instrumentalisierung.

Letters to the President

Der Dokumentarfilm benutzt die zahllosen Briefe aus der Bevölkerung an den iranischen Präsidenten als Aufhänger, um über das schwierige Leben im Iran zu berichten.

Seemaan Bil Day’ia (The One Man Village)

Der Dokumentarfilm handelt vom Onkel des Regisseurs, der als einziger ehemaliger Bewohner in das während des libanesischen Bürgerkriegs zerstörte Dorf zurückkehrte, um dort bescheiden zu leben.

Rachel

Der Dokumentarfilm beschreibt den Tod einer amerikanischen Friedensaktivistin im Gazastreifen und versucht, die Umstände aufzuklären.

10 Jahre Publikumspreis

Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin

Der Dokumentarfilm aus dem Jahr 2001 läßt Traudl Junge über ihr Leben und ihre Schuld zu Wort kommen, Hitlers Sekretärin bis zu seinem Tod.

Lemon Tree

Der Zitronenhain einer palästinensischen Witwe wird zum Sicherheitsrisiko, als der israelische Verteidigungsminister das Nachbargrundstück bezieht (Publikumspreis 2008).

Generation

Ali & the Ball (Ali und der Ball)

Der 8jährige Ali lebt mit seiner Mutter in einem Flüchtlingslager und will ihr helfen (15 Minuten, Kurzfilme 14+).

Gagma Napiri (Das andere Ufer)

Der 12jährige Tedo lebt mit seiner Mutter außerhalb von Tiflis. Als Flüchtlinge des Bürgerkriegs in Abchasien träumt er von einer glücklichen Zukunft (Generation K+).

Slavar (Slaves)

Der Animationsfilm beschreibt das Leiden von Abouk, der als 5jähriger von regierungsnahem Milizen im Sudan entführt und in die Sklaverei gezwungen wird (15 Minuten, Kurzfilme 14+).

Snijeg (Snow)

Der Krieg ist zwar in Bosnien im Jahr 1997 bereits beendet, aber das Leben für die Frauen und Waisen im Dorf Slavno ist hart. Ein verlockendes Angebot hat unerwartete Folgen.

Retrospektive

Die diesjährige Retrospektive steht unter dem Zeichen des 70 mm-Films. Hier finden sich einige Juwelen, zumal einige der Filme in kürzlich restaurierten Fassungen zu sehen sind.

Dnewnyje Swjosdy (Tagessterne)

Igor Talankins Film (UdSSR 1966/68) behandelt u.a. die Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg, basierend auf den Erinnerungen der Lyrikerin Olga Bergholz.

Khartoum

Basil Deardens Monumentalfilm (USA 1965/66) wollte an den Erfolg von „Lawrence von Arabien“ anknüpfen; auch hier geht es um die Handlungen und den Charakter eines außergewöhnlichen Mannes. Es wird die restaurierte Fassung von 2008 gezeigt.

Lawrence of Arabia

Gibt es irgendeinen Grund, diesen Meilenstein der Filmgeschichte (USA 1961/62) zu verpassen? Wohl kaum. Es wird eine neue Kopie der restaurierten 70mm-Fassung von 1989 gezeigt.

Optimistitscheskaja tragedija (Optimistische Tragödie)

Mit diesem filmhistorisch interessanten Werk über die Russische Revolution wurde das Kino International im Jahr 1963 eröffnet, das ihn nun im Rahmen der Berlinale Retrospektive zeigt (UdSSR 1963).

Patton

Als Kriegsfilm kann das bildgewaltige Werk (USA 1968/70) über den Krieger Patton nicht durch seinen Realismus überzeugen – aber die Charakterstudie des Generals von George C. Scott als heroischen Führer ist schlichtweg phänomenal. Allein für den großartigen Beginn lohnt sich der Kinobesuch. Es wird die restaurierte Fassung aus dem Jahr 2003 gezeigt.

The Sound of Music (Meine Lieder – meine Träume)

Hierzulande ist dieses skurril anmutende Musical über die singende Trapp-Familie und ihren Exodus zur Nazi-Zeit recht unbekannt (USA 1964/65), doch in Großbritannien, den USA und vor allem dem ostasiatischen Raum ist es als wichtig für die Wahrnehmung Österreichs (und Deutschlands) anzusehen.

Woina i mir (Krieg und Frieden)

Sergej Bondartschuks beeindruckende Literaturverfilmung (UdSSR 1962-67) ist ein klassisches Epos, aber stilistisch wie handwerklich immer noch eine Freude zu sehen. Die Teile 1 und 2 (270 Minuten) sowie 3 und 4 (185 Minuten) werden immerhin auf zwei Tage aufgeteilt.

Berlinale Shorts

Bric-Brac

Ein Regisseur versucht einen Schauspieler zu überzeugen, die Hauptrolle in einem Film über die Rumänische Revolution zu spielen; für den Schauspieler verwischen die Grenzen zwischen Fiktion und Erinnerung zunehmend (17 Minuten, Berlinale Shorts I).

Mama L’Chaim! (Auf das Leben!)

Der 62jährige Chaim lebt bei seiner 95jährigen Mutter, einer KZ-Überlebenden. Ohne anzuklagen zeigt der Film, wie der Holocaust das Leben der Kinder der Überlebenden durchzieht. (5 Minuten, Berlinale Shorts V).

German Cinema

Diese Sektion ist ein Showcase sich bereits im Verleih befindlicher deutscher Filme für den internationalen Markt.

Anonyma – Eine Frau in Berlin

Der Film basiert auf den Tagebuchaufzeichnungen einer Frau, die den Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten im besetzten Berlin des Jahres 1945 entgehen will, indem sie sich einen Offizier der Roten Armee als Beschützer sucht.

Der Baader-Meinhof-Komplex

Der Versuch des Regisseurs Uli Edel, den Werdegang der RAF authentisch wiederzugeben.

Dr. Alemán

Ein abenteuerlustiger Medizinstudent verstrickt sich in Kolumbien immer tiefer in Gewalt und Verbrechen.

Rahmenprogramm

Interview mit Bertrand Tavernier

Bertrand Tavernier, dessen Wettbewerbsbeitrag „In the Electric Mist“ ebenso zu sehen ist, spricht über seine Filme und die sich darin immer wieder spiegelnden Sichtweisen zu Krieg, Familienbeziehungen und sozialen Bindungen.

 

Das Programm ist also so vielfältig wie interessant – Besprechungen zu den einzelnen Filmen werden folgen.

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